Um das hoch geschichtsträchtige, da aus der Barockzeit stammende und unter Denkmalschutz stehende frühere Bedburger Rathaus, welches zudem an zentraler Stelle am Marktplatz steht, sieht es nicht gut aus: „Die Bausubstanz ist so schlecht, dass unser gesamtes Budget für die Sanierungsplanung für Untersuchungen draufgegangen ist“, so Torsten Stamm von der Bedburger Stadtverwaltung. Derzeit lasse sich noch nicht klären, ob das Haus ein wirtschaftlicher Totalschaden sei. Rettungswege fehlten wie auch eine Barrierefreiheit. Man rechnet mit Kosten in Millionenhöhe. Immerhin konnte es zwischenzeitlich einigermaßen stabilisiert werden.
Hinzu komme die schwierige Finanzlage der Stadt. Es seien schon aus finanziellen Gründen Projekte aus dem Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept für die Innenstadt (Isek) abgespeckt, verschoben oder gestrichen worden.
Das Gebäude steht seit ca. 3 Jahren leer. Jeder Eigentümer weiß, dass dies nicht gut für ein Gebäude ist, auch wenn eine Diskussion wichtig und zeitintensiv ist. Und jeder Eigentümer, der ein altes Gebäude sanieren möchte, weiß um den bekannten Spruch: „Ein Hammerschlag, und die Freude beginnt“.
Bei allen Diskussionen wird auch und zu Recht die geschichtliche Bedeutung des Hauses betont, vgl. u. a. den Leserbrief in der Kölnischen Rundschau (wohl auch Stadt-Anzeiger) vom 10.10.2023 von Dr. Achim Jaeger aus Düren: Die Immobilie gehörte einst der jüdischen Kaufmannsfamilie Franken, bis die Nazis es ihr unter Zwang für einen Spottpreis abkauften, so heißt es weiter. 15.000 Mark zahlte die Stadt 1950 als Entschädigung an die Familie Franken. Deren Nachfahren leben in der israelischen Stadt Pardes Hanna-Karkur, mit der die Stadt Bedburg vor 3 Jahren eine Partnerschaft schloss. Das Silverberg-Gymnasium pflegt einen Schüleraustausch. Nicht berichtet wird, ob die Nachfahren der Familie Franken noch Kontakt zu Bedburg haben bzw. umgekehrt.
Über Jahrzehnte wurde das Haus als Verwaltungssitz genutzt. Es war Anlaufstelle für diverse behördliche Angelegenheiten. Jedem war das „historische Innenleben“ des Gebäudes mit seinem entsprechenden Charme bekannt. Es beherbergte u. a. auch das Standesamt. Auch dies dürfte vielen in Erinnerung sein. So auch mir während meines Verwaltungspraktikums am 09.09.1999, einer klassischen Schnapszahl für die, die sich „trauen“. Es herrschte folglich reger Betrieb und man tauschte gerne den Platz vom Schreibtisch mit dem (begehrten) am Fenster. In regelmäßigem Takt verließen frisch Verheiratete das Gebäude und ließen sich zelebrieren: Klassisch mit Sekt, Oldtimer und diversen Spielchen, die jeder kennt. Klasse, da atypisch, fand ich die „Biker“ in ihrer Biker-Kluft, die mit Dosenbier anstießen und auf einem aufgemotzten Trike (Motorrad) mit viel Lärm von dannen zogen. Eine schöne Erinnerung, die ich gerne (wiederholt) erzähle und teile. Dies aber nur am Rande.
Eine sachliche, offene, insbesondere auch ergebnisoffene Diskussion in alle Richtungen ist richtig und m. E. sogar unerlässlich, insbesondere auch die Frage einer evtl. (städtischen) Weiternutzungsmöglichkeit, sei es etwa für Vereine. Aber auch die Finanzierbarkeit mit allen Konsequenzen im Falle der Nichtfinanzierbarkeit darf nicht außen vorgelassen werden. Evtl. könnte auch ein Verkauf an einen interessierten Investor in Betracht kommen, der -unter Auflagen- das Gebäude saniert und einer Nachnutzung zuführt. Es steht schließlich (zu Recht) unter Denkmalschutz, was ggf. auch nützlich sein kann. Ggf. gibt es für ihn andere (staatliche/steuerliche) Förderungsmöglichkeiten. Die Verwaltung der Stadt Bedburg, die gewiss im Rahmen ihrer Möglichkeiten bereits das Möglichste getan hat und auch weiterhin tun wird, ist hier an erster Stelle gefragt.
Als wir im letzten Jahr mit unserem Verein im Rahmen der Bildungsreise im Raum Magdeburg mit der Karl-Arnold-Stiftung unterwegs waren, stockte einem teilweise der Atem, mit welcher Selbstverständlichkeit gut 7-stellige Beträge je Haus (!) für die -ja- Wiederherstellung von vollkommen maroden und nach unserem Verständnis nur nach abrisswürdigen Häusern -woher auch immer- zur Verfügung standen. Im Vergleich hierzu hat das frühere Bedburger Rathaus noch „Neuwertcharakter“.
Reimund Gau, 1. Vorsitzender Eigentümer- und Vermieterverein Bedburg und Umgebung
